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Ein Hund schaut aus einem Wohnmobilfenster

Kolumne: Gardinenwackler – Was guckst du?

Unser lieber Kollege Henning, seines Zeichens Blogger, Wohnmobilbewohner, Facebookgruppen-Aufmischer und bekennender Sarkastiker, wirft in unserer neuen Kolumne einen Blick auf Themen, die die Camperwelt bewegen.

Mit einem Augenzwinkern und dem einen oder anderen bissigen Kommentar analysiert er die oftmals hitzigen Social-Media-Diskussionen rund um Thermomix, Camperhunde, Dickschiffe, Grußverweigerer und Kuschelcamper. Viel Spaß beim Lesen und Bühne frei für Henning!

Viele, eigentlich alle, der in dieser Kolumne bisher geschilderten Begebenheiten, ergeben sich aus dem wahren Camperleben – und aus der Verarbeitung ebendieses Alltags in den Sozialen Netzwerken. Vorwiegend bei Facebook, das aus noch zu erforschenden Gründen ein ganz wunderbares Biotop für derlei Geschichten bildet.

Natürlich speist sich der Nachschub an Neuigkeiten in erster Linie aus der Observation der Nachbarschaft. Diese wird in aller Regel von den sogenannten Gardinenwacklern vorgenommen. Die kennt man auch aus dem steinhäusigen Kontext: In jedem Quartier gibt es „die eine“ oder „den einen“, die fast alles über „die anderen“ wissen. Die direkte Beobachtung der Camping-Nachbarn findet naturgemäß auf Camping- oder Stellplätzen statt, weniger oft beim Freistehen, denn da zieht es der durchschnittliche Freisteher vor, für sich allein zu bleiben.

Es gibt ganz unterschiedliche Typen von Beobachtern: Manche glotzen ungeniert, richten sogar noch die Stühle zum Geschehen hin aus. Andere sitzen hinter getönten Scheiben oder man nimmt von ihnen kaum mehr als einen Schatten oder ein leichtes Zittern der Vorhänge wahr. Ältere Wohnwagen oder auch manche Wohnmobile hatten eine zweigeteilte, sogenannte „Klönschnack-Tür“. Da blieb der untere Teil der Tür geschlossen, auf dessen Oberkante ließ sich ein Kissen legen und damit eine bequeme Beobachterhaltung einnehmen. Heute fürchtet nur leider der TÜV um unsere Sicherheit und erlaubt solche Türen nicht mehr bei Neuzulassungen.

Auch die Beobachtung der Beobachter findet ihren Widerhall in den sozialen Netzwerken, das ist dann sozusagen die Meta-Ebene. Da beschweren sich die einen über „die in den dicken Mobilen, die immer die Rollos zu haben und nie rausgehen“. Andere beklagen, sie müssten bei offenen Rollos und eingeschalteter Innenbeleuchtung der Nachbarn Dinge sehen, die sie lieber nicht sehen wollten. Auf die Idee, selbst die Rollos zu schließen, werden die dann oft erst in den epischen Diskussionen gebracht. Denn die menschliche Neugier ist einer der stärksten Triebe überhaupt. Sie hat uns aus den Höhlen der Steinzeit in die Wolkenkratzer und Wohnmobile der Gegenwart gebracht, manche auch noch ganz woanders hin. Darum ist Neugierde als solche auch nicht verdammenswert.


Ich gebe ja selbst zu, dass ich auch immer wissen will, was draußen los ist, wenn es da brummt oder schlurfende Schritte neben dem Auto zu hören sind. Nachts lösche ich dazu auch das Licht und öffne eines der Rollos an meiner Rundsitzgruppe – oder, besonders perfide, ich verschwinde im Bad und stecke den Kopf im Dunkeln aus dem winzigen Fenster heraus. Allerdings ist mir die Dauerbeobachtung der Nachbarschaft denn doch zu langweilig, auch ist da immer noch das Recht auf Privatsphäre, das ich natürlich auch für mich in Anspruch nehme. Darum sind auch spätestens dann die Rollos zu, wenn es draußen so dunkel ist, dass ich Licht anmachen muss. Sonst können die anderen bei mir mehr sehen, als ich draußen, und das geht dann doch zu weit.

An manchen Tagen bleiben die drei großen Fenster um meine Hecksitzgruppe herum auch den ganzen Tag über verdunkelt. Entweder, weil es nichts wirklich Interessantes da draußen zu sehen gibt oder auch, um im Winter die isolierende Wirkung der zusätzlichen Luftschicht zwischen Rollo und Fenster auszunutzen.

Mit den kleinen Beobachtungen des Alltags, mit denen manche Mitcamper die Campinggruppen geradezu fluten, kann ich darum selten aufwarten. Wenn aber die Geräuschkulisse irgendeine Form von Drama vermuten lässt, wie ein im Matsch festgefahrenes Wohnmobil oder mehrfache Versuche, den Stellplatz optimal anzufahren, dann bin ich dabei als bekennender Gardinenwackler. Sollte Hilfe notwendig sein, wird es an mir nicht liegen. Gegen das Festfahren habe ich zum Beispiel Gummimatten dabei, die schon des Öfteren erfolgreich zum Einsatz kamen. Nur werde ich den nächsten Nutzer meiner Gummimatten zur Beteiligung an deren späterer Reinigung verpflichten.

Insgesamt ist der oft geschmähte Gardinenwackler ein durchaus wertvolles Mitglied der Gesellschaft, sorgt er oder sie doch für den nie versiegenden Nachschub an den großen und kleinen Dramen, aus denen sich nicht nur die Facebook-Community, sondern auch diese Kolumne nährt.

Titelfoto: (c) ivonnewierink | Depositphotos.com

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