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Fahrstabilität für den Wohnwagen: So funktioniert das Antischlingersystem ATC

Erfahrene Camper wissen es: Campingfahrzeuge und insbesondere Wohnwagen sind bei falscher Beladung oder zu hoher Geschwindigkeit etwas anfällig, ins Schlingern zu geraten oder sich „aufzuschaukeln“. Doch keine Sorge: Neben einer defensiven, vorausschauenden Fahrweise und der korrekten Ladungsverteilung gibt es auch einige technische Hilfsmittel, die zu mehr Stabilität, Sicherheit und Entspannung beitragen – zum Beispiel eine Antischlingerkupplung oder das elektronische Stabilisierungssystem ATC.

An unseren beiden neuen Wohnwagen haben wir das moderne Anti-Schleuder-System ebenfalls verbauen lassen und erklären dir in diesem Beitrag, was es genau bewirkt, wie viel es kostet und welche Erfahrungen wir damit gemacht haben.

Was ist ein ATC?

ATC ist die Abkürzung für „AL-KO Trailer Control“. Es handelt sich hierbei um eine elektromechanische Komponente, die an der Achse angebracht und mit den Radbremsen verbunden wird. Mit Hilfe von ausgeklügelter Sensortechnik „erkennt“ das System Gefahrensituationen, die durch Windböen, Überholmanöver und Ausweichmanöver entstehen und wirkt diesen frühzeitig entgegen. Das ATC kontrolliert also konstant das Fahrverhalten und die Bewegungen deines Wohnwagens während der Fahrt. Fängt der Caravan an zu pendeln, greift das System sofort ein und stabilisiert das Gespann.

Wie funktioniert das ATC?

Das ATC funktioniert ähnlich wie ein ESP (Electronic Stability Program) beim Auto. Bei der Montage werden im System die maximal zulässigen Querbewegungen für den Wohnwagen hinterlegt und während der Fahrt durch einen so genannten Querbeschleunigungssensor konstant gemessen. Werden die vorgegebenen Grenzwerte überschritten, so aktiviert das System automatisch die Bowdenzüge und damit die Radbremsen. Durch diese kontrollierten, leichten Bremsungen beruhigt bzw. „streckt“ sich das Gespann und der Wohnwagen findet zurück in die Spur. Die Bremslichter werden dabei nicht betätigt.

Angeschlossen und mit Strom versorgt wird das ATC über die Verteilerdose des Wohnwagens. Jedes Mal, wenn du deinen Wohnwagen mit dem Zugfahrzeug verbindest, ertönt ein kleiner Signalton und die LED-Lampe an der Deichsel leuchtet grün – das bedeutet, dass das ATC einsatzbereit ist und die Reise losgehen kann.

Was ist der Unterschied zwischen ATC und Anhänger-ESP?

In PKW verbaute, elektronische Stabilitätsprogramme für Anhänger (ESP) reagieren deutlich weniger sensibel auf gefährliche Seitenbewegungen des Wohnwagens oder eines anderen Nutzanhängers als ein Wohnwagen-Antischlingersystem. Beim ATC werden unkontrollierte Seitenbewegungen viel früher, nämlich bereits an der Anhängerachse, registriert.

So können selbst geringe Pendelbewegungen unverzüglich ausgeglichen und Unfallrisiken erheblich reduziert werden. Selbst Überholvorgänge können abgeschlossen werden, da der Wohnwagen gleichmäßig und sanft gebremst wird. Der Fahrer merkt fast nichts von der Korrektur, die durch das Anti-Schlinger-System ausgeführt wird.

In der neuen, überarbeiteten Version „erkennt“ das AL-KO ATC durch seine optimierte Sensortechnik, ob eine mögliche gefährliche Schlingergefahr in den nächsten Sekunden entstehen könnte, und bereitet sich auf einen möglichen Eingriff mit der sogenannten „Habachtstellung“ vor. Durch diese „Habachtstellung“ werden für den Fall eines Eingriffs weitere Millisekunden gewonnen.

Doch auch das frühere ATC, das z.B. auch bei uns noch verbaut ist, reagiert im Fall der Fälle blitzschnell und kann natürlich weiterhin verwendet werden.

Kann ich ein ATC nachrüsten lassen?

Ja, du kannst das AL-KO Trailer Control für alle Caravans mit einem AL-KO-Chassis ab Baujahr 1998 nutzen. Den Einbau kannst du bei mehr als 100 AL-KO-Händlern in Deutschland sowie allen AL-KO Kundencentern vornehmen lassen.

Kann ich ein „altes“ ATC durch ein neues ersetzen?

Falls in deinem Wohnwagen noch die frühere Generation des ATC verbaut ist und du gerne das neue Modell nachrüsten möchtest, sollte das in aller Regel problemlos möglich sein.

Zwar wird das „ATC 2.0“ horizontal eingebaut, die Montageanbindung ist aber unverändert. Dadurch lässt sich das bisherige ATC leicht gegen das neue ATC tauschen. Das bringt sogar noch Vorteile mit sich, denn die neue Bauweise ist platzsparender und schenkt deinem Wohnwagen mehr Bodenfreiheit. Auch beim Thema Gewicht kann der neue Typ punkten. Trotz verbesserter Technik bringt er mit seinen 4,3 kg gegenüber seinem Vorgänger 200 g weniger auf die Waage.

Auch die Umrüstung kannst du bei namhaften Caravanhändlern, Fachwerkstätten oder direkt bei AL-KO vornehmen lassen.

Für welche Wohnwagen ist das ATC geeignet?

Das ATC kann an jedem Caravan mit AL-KO Chassis (ab Baujahr 1998) installiert werden. Der Einbau erfolgt direkt beim Hersteller AL-KO oder in einer der bundesweiten Partnerwerkstätten. Bei vielen neuen Wohnwagen wird es mittlerweile bereits ab Werk angeboten.

Wie und wie häufig muss ich das ATC warten?

Ist das System einmal eingebaut, ist es nach Herstellerangaben wartungsfrei. Du musst also nur vor jeder Fahrt kontrollieren, ob es selbsttätig den oben beschriebenen Funktionscheck durchführt. Ansonsten brauchst du dich um nichts weiter zu kümmern.

Allerdings sollten die Radbremsen regelmäßig gewartet werden – denn das beste Antischleudersystem funktioniert natürlich nur, wenn die Bremsen auch greifen!

Wie hoch sind die Kosten für ein ATC?

Die Preise für das Antischleudersystem bewegen sich je nach Anbieter meist zwischen 650 und 770 Euro zzgl. Montage.

Das ATC in der Praxis: Unsere Erfahrungen

Obwohl wir stets sehr vor- und umsichtig fahren, gab es auch bei uns schon so einige kritische Momente, in denen unser Gespann zu pendeln begann. Kein Wunder bei rund 60.000 Wohnwagenkilometern, die wir mittlerweile zurückgelegt haben dürften…

Insbesondere auf der Autobahn, wo man ja auch mal etwas zügiger unterwegs ist, wirken sich äußere Einflüsse sehr viel deutlicher aus als auf der Landstraße. Bei uns waren es zum Beispiel starke Windböen, unerwartete Ausweich- oder Bremsmanöver, die Veränderung im Luftdruck durch überholende Lkw („Ansaugen“) oder Straßenunebenheiten, die den Wohnwagen aus der Spur brachten.

Unser erster Caravan (ohne ATC) schlingerte in diesen Fällen munter vor sich hin und wir mussten die Pendelbewegungen selbst durch gezieltes Entschleunigen oder Bremsen ausgleichen. Bei den beiden neuen Wohnwagen dagegen konnten wir feststellen, dass das ATC diese Arbeit für uns übernommen hat. Spürbar waren diese Eingriffe kaum, man merkte lediglich, dass das Gespann plötzlich in leicht wellenartigen Bewegungen bzw. etwas „holprig“ lief. Nach wenigen Sekunden inklusive einer moderaten Geschwindigkeitsreduktion war dann wieder alles normal. Nach außen hin bekommt man davon nichts mit, denn die Bremsleuchten werden nicht aktiviert.

Diese beginnenden Schlingerfahrten hätten unter Umständen auch anders ausgehen können, zumal unser Zugfahrzeug (Skoda Yeti aus 2013) noch nicht mit einem Anhänger-ESP ausgestattet ist. Selbst als erfahrene:r Caravaner:in reagiert man in solchen Stressmomenten häufig falsch bzw. nicht schnell genug und kann das Gespann dann nicht mehr abfangen. Oder man provoziert durch plötzliche Bremsmanöver einen Auffahrunfall.

Wer schon einmal einen derart verunglückten Wohnwagen gesehen hat, weiß, dass von dem geliebten Anhänger dann meist nicht mehr viel übrig ist – von der Gefahr für Leib und Leben mal ganz zu schweigen. Deshalb gehört ein solches Antischlingersystem für uns zur absoluten Grundausstattung, die jeden Euro wert ist.

Grenzen des Systems: Kein Freifahrschein für Überladung oder wilde Rennen!

Bei aller Begeisterung für den technischen Fortschritt – auch ein ATC kann natürlich nicht zaubern. Denn wenn du völlig überladen oder mit 20 km/h zu viel auf dem Tacho unterwegs bist, kann es trotzdem passieren, dass du deinen schlingernden Wohnwagen nicht mehr „eingefangen“ bekommst. Deshalb an dieser Stelle nochmal unser dringender Appell an dich: Setze nicht all dein Vertrauen in die moderne Technik, sondern halte dich unbedingt an die für dein Gespann vorgegebenen Geschwindigkeits- und Gewichtsbegrenzungen. Das ATC ist und bleibt ein Notfallsystem und sollte keinesfalls als Freifahrschein für wilde Rennen mit dem Wohnwagen gesehen werden!

Weitere Tipps und Infos rund um das Thema Fahrsicherheit findest du in unseren Beiträgen „Wohnwagen richtig beladen“ und „100er Zulassung beim Wohnwagen“.

Technische Details zum ATC gibt es auf den Seiten des Herstellers AL-KO Fahrzeugtechnik.

Weitere Anbieter von elektronischen Stabilitätssystemen sind z.B. die Firmen Knott, BL-Trading oder der niederländische Hersteller Triorep.

Titelbild: (c) Stefan Blanz / CamperStyle

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Zuerst, der Beitrag ist sehr informativ und verstaendlich kommuniziert.

    Leider ist er mir Antworten schuldig geblieben,
    erstens, wenn das Zugfahrzeug mit Anhänger-ESP ausgeruestet ist, bedarf es dann noch ATC [ der Faktor Zeit ist verstanden und nicht ignoriert und die Antwort von ALKO kann ich auch erahnen ]
    zweitens, wenn ESP an den PKW Vorderreifen eingreift, und ATC „gleichzeitig“ an den Caravan-Reifen wirkt, neutralisieren sich die Kraefte und das Chaos nimmt seinen Lauf

    Noch eine Frage, nicht ATC
    Ich will mir einen Lade-Booster zulegen und habe alle Pros-und-Contras zum Votronic VCC 1212-20 C, der mit bis zu 20 A ueber die 13-poligen Anhänger-Steckvorrichtung laden soll. Gibt es hier irgendeine objektive Studie?

    1. Lieber Oskar, vielen Dank für deine Fragen. Wir haben bei AL-KO nachgefragt und folgende Antworten erhalten:

      Zu deiner ersten Frage, verhält es sich so, dass wenn das Zugfahrzeug mit Anhänger-ESP ausgerüstet ist, ist das ausgesprochen hilfreich für die Sicherheit des Komplettgespanns.
      Der große Vorteil des ATC ist, dass es immer noch früher reagieren kann als das Zugfahrzeug.
      Es bemerkt das Schlingern eher, weil es an der Achse des Wohnwagens sitzt.
      Damit erkennt es als erstes, wenn der Grenzbereich erreicht ist und damit die kritische Geschwindigkeit zu reduzieren ist: ja, Zeit ist der Schlüssel für AL-KO.
      Und dabei fängt das ATC den Wohnwagen sanfter und geschmeidiger ab, als es das Zugfahrzeug kann.
      Das wird besonders deutlich bei der neuesten Version unseres ATC, diese geht sozusagen in Hab-Acht-Stellung, wie bei einer Fotokamera, wenn erst auf Scharfstellen gedrückt wird und dann erst auf den Auslöser: Das ATC merkt, dass sich die Schlingerbewegung gerade aufbaut, macht sich startklar und greift dann blitzschnell ein.
      Du hast damit doppelte Sicherheit.

      Zu deiner zweiten Frage: Die Kräfte ergänzen sich, sie neutralisieren sich nicht, sondern arbeiten zusammen.
      Das ATC bremst mit 10% der Leistungsfähigkeit der Bremsen.
      Wenn der PKW zum Beispiel auf 100 km/h abgebremst wird, wird mit dem ATC der Wohnwagen auf 90 km/h abgebremst.
      Das verbessert umgehend die Streckung zwischen Zugfahrzeug und Wohnwagen.
      Damit wird die Zugkraft direkt deutlich stärker als die Querkraft.

      Zum Vocotronic kennen wir leider keine Studie. Wir hoffen dennoch, dir mit unseren Antworten geholfen zu haben. Wenn nicht, frag gerne nochmal nach.

      Viele Grüße Sandra

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